Prüfwerte sind unsere Goldbasis

 

Erfolg oder Misserfolg? Das Drahtwerk Waidhaus gibt ein Musterbeispiel dafür ab, wie die Digitalisierung die eigenen Stärken unterstützen kann. Das Unternehmen blickt auf eine über sechs Jahrzehnte währende Tradition zurück. Im Jahr 2023 stellte sich für das Unternehmen dann die Frage nach der strategischen Neuausrichtung: Wie kann sich ein traditionsreicher Produktionsbetrieb in einem Marktumfeld behaupten, das zugleich von Preisdruck im Standardbereich und zunehmender technischer Komplexität in anspruchsvollen Anwendungen bestimmt wird? Einen entscheidenden Beitrag zum erfolgreichen Wandel leistete die bereits 2018 angestoßene Digitalisierung, die seither sämtliche Kernprozesse unterstützt und vernetzt – von der Fertigung bis zur Qualitätssicherung. Inzwischen ist die Wende geschafft, das Drahtwerk als Nischenanbieter auf Kurs– mithilfe virtueller Mittel.

„Digitalisierung ist notwendig, damit wir unsere Strategie überhaupt verfolgen können“, sagt Jürgen Eiglmeier, technischer Geschäftsführer bei der Drahtwerk Waidhaus GmbH. Das liegt daran, dass der heute rund 70 Mitarbeitende zählende Betrieb im Kern auf den enormen Wissensschatz aus 65 Jahren Geschäftstätigkeit setzt. Zu diesem Wissensschatz zählen unter anderem Prüfdaten aus den produktionsbegleitenden Laborprüfungen sowie Prozessdaten aus der Fertigung. Jährlich werden beispielsweise rund 40.000 Prüfungen durchgeführt – Spitzenwert in der Branche.

Ohne die Digitalisierung wäre es nicht möglich, die Daten in diesem Umfang effektiv zu nutzen. Sie bilden die Grundlage für die Entwicklung neuer Produkte und die Optimierung bestehender Prozesse. So werden die Daten unter anderem verwendet, um Berechnungsmodelle zu kalibrieren, die es ermöglichen, Machbarkeitsprüfungen für neue Spezifikationen durchzuführen. Auf diese Weise konnten Produktionsprozesse so verfeinert werden, dass für versilberte Hochfrequenzdrähte Fertigungstoleranzen von 0,5 µm erreicht werden – eine Präzision, die weltweit nur sehr wenige Unternehmen erzielen.

Vom Massenmarkt verabschiedet

Dafür sorgt im Hintergrund eine riesige Datenbank, in der nicht nur zahllose Messwerte aus Jahrzehnten gespeichert sind, sondern die heute unmittelbar an die Prüfgeräte im Labor via Schnittstelle angebunden ist. Während der Fertigung werden kontinuierlich Prüfmuster entnommen, deren Ergebnisse unmittelbar in das Prüfzeugnis einfließen. Gleichzeitig liefert das System sofortiges Feedback an die Fertigung, sodass die Produktionsprozesse in Echtzeit überwacht und gesteuert werden können.

Durch diese Vollautomatisierung konnte das Drahtwerk Waidhaus sich als Spezialanbieter auf dem Markt behaupten. Vom Massenmarkt, auf dem man preislich an deutschen Standorten nicht konkurrenzfähig ist, hat man sich in diesem Zuge verabschiedet. „Die ersten Digitalisierungsprojekte haben wir schon in den Jahren 2018/2019 gestartet und wurden durch den damaligen Geschäftsführer Herr Norbert Pühl angestoßen. Diese Projekte bilden nun die Basis, auf die wir weiter aufbauen“, sagt Eiglmeier.

Optokoppler übertragen Signale

Neben der Digitalisierung der Prüfroutinen stand als zweites großes Projekt die Einbindung des damals noch analogen Maschinenparks in ein MES an. Hierfür setzt das Drahtwerk induktive Sensoren ein, die die Maschinenimpulse direkt ins System einspeisen. Jeder Auftrag wird am Terminal an der Maschine angemeldet. Aus dem bereits aufgelaufenen Gewicht des Endprodukts und der Maschinengeschwindigkeit lässt sich so der Erfüllungsgrad der Aufträge in Echtzeit überwachen.

Derzeit wird der Maschinenpark stark verjüngt. Wo möglich, werden bestehende Maschinen durch neue Fabrikate ersetzt. In einigen Bereichen ist dies aufgrund der starken Spezialisierung nicht möglich, da entsprechende Modelle nicht auf dem Markt verfügbar sind. Für diese Fälle laufen derzeit mehrere Retrofit-Projekte, in Zuge dessen die Maschinen mit vollständig neuer Steuerung ausgestattet werden. Die dadurch verfügbare Datenbasis wird so noch einmal deutlich vergrößert. Auch ein Hallenneubau ist geplant. „In fünf Jahren haben wir ein komplett neues Maschinenlayout“, prognostiziert er. Auch KI wird künftig unter anderem bei der Fertigungsplanung eine Rolle spielen.

Hochpräziser Spezialanbieter

Die Wende hat das Unternehmen dennoch schon längst geschafft, mit Mut zu harten Einschnitten – der Umsatz wurde vorübergehend halbiert – und einer klaren Zukunftsvision. „Wir liegen heute wieder auf demselben Umsatzsatzniveau, das wir vor der Neuausrichtung hatten – aber mit Produkten, die unseren Stärken entsprechen. Deshalb sind wir profitabel.“, erklärt Eiglmeier. Die strategische Neuausrichtung konzentriert sich auf hochpräzise Spezialprodukte. Dazu zählen hochzug- und hochleitfähige Legierungen, sowohl versilbert als auch vernickelt, sowie Drähte und Litzen aus kupferummanteltem Aluminium – ebenfalls in versilberter und vernickelter Ausführung – für die Luft- und Raumfahrt.

Durch die Fokussierung auf diese Nischen kann das Drahtwerk seine Stärken in Präzision, Qualität und technischer Kompetenz optimal einsetzen. Auch hier spielen wieder Datenschätze und Know-how aus langjähriger Erfahrung eine Rolle, wie Eiglmeier erklärt. „Die Kombination aus digitalen Mitteln und unserer Entwicklungstradition macht uns besonders schlagkräftig.“

Drahtwerk Waidhaus GmbH

Die Drahtwerk Waidhaus GmbH wurde 1960 gegründet und beschäftigt 69 Mitarbeitende. Geschäftsführer des Unternehmens sind Christian Pühl und Jürgen Eiglmeier, Hauptprodukt spezielle Draht- und Seillösungen für verschiedene Anwendungsgebiete, unter anderem für die Luft- und Raumfahrt und Medizintechnik.

Mehr über das Projekt:

Von der digitalen Nordoberpfalz für regionale Unternehmen. Der Bezirk Oberpfalz, die DGO Nordoberpfalz, die Stadt Weiden i.d.OPf., der Landkreis Neustadt a. d. Waldnaab und der Landkreis Tirschenreuth vereinen ihr Know-How und ihre Erfahrungen im Bereich der Digitalisierung.

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